Benedikts Option – Selbstverwirklichung in der Gemeinschaft
Der Name der Gruppe Benedikts Option (polnisch Opcja Benedykta) basiert auf dem Titel des Buches von Rod Dreher. Der Autor berührt darin ein Thema, über das ich seit den 80er Jahren nachdenke: die heutige Krise in der Welt ähnelt sehr der moralischen und spirituellen Krise beim Untergang des Römischen Reiches. In Folge dieser Krise kam der Zerfall des Staates, die Völkerwanderungen und als finale Konsequenz der Zusammenbruch des Imperiums. Um die Größenordnung dieses kulturellen und zivilisatorischen Zusammenbruchs zu verstehen genügt es zu sagen, dass Westeuropa – Frankreich, Deutschland, Spanien, England – das Zivilisationsniveau des Römischen Reiches des zweiten/dritten Jahrhunderts erst im 17. Jahrhundert wiedererlangt hat. Erst dann kehrten die Städte Westeuropas hinsichtlich des Abwassersystems, der Wasserversorgung, des Straßenbaus und der Kommunikationswege auf den Stand von vor 1500 Jahren zurück. Geht es um die Bildung, gemessen an den Schreib- und Lesefähigkeiten, so erreichte die Bevölkerung Westeuropas erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das kulturelle Niveau der Zeit des Römischen Reiches, Polen vielleicht sogar erst am Ende des Jahrhunderts. Dies ist eine enorme kulturelle Kluft, die 1500 Jahre lang in Europa andauerte!
Die Antwort auf den Zusammenbruch des Römischen Reiches waren keine Bürgerbewegungen, welche die Situation mit Gewalt lösen oder auf politische Weise verbessern sollten. Der hl. Benedikt unternimmt keine Kämpfe oder sozialen Initiativen. Stattdessen gründet er Klöster, in denen er konsequent eine gewisse Lebensart pflegt. Um keine leeren Versprechungen zu machen: die gesamte antike Literatur, mit Ausnahme der Heiligen Schrift, hat bis in unsere Zeit nur in Abschriften überlebt, die in den Klöstern(!) entstanden sind. Viele Jahrhunderte lang waren die gesellschaftliche Elite, Könige und Fürsten Analphabeten. Die Tatsache, dass Kasimir der Erneuerer, der Gründer unserer Abtei, im elften Jahrhundert schreiben und lesen konnte, lag nur an seiner weisen Mutter. Eigentlich war er für eine kirchliche Karriere bestimmt, weshalb er wahrscheinlich in die Benediktinerabtei nach Braunschweig geschickt wurde. Als er dann auf den polnischen Thron berufen wurde, nahm er die Mönche mit. Seine Schwester Gertrud, die einen Kiewer Prinzen heiratete und die Autorin ihres in Latein geschriebenen Gebetsbuches war, konnte folglich ebenfalls schreiben und lesen. Man kann sagen, dass sie die erste Autorin polnischer Herkunft war. Aber dies stellte eine Ausnahme dar. Tatsächlich begann die Bildung der Eliten erst gegen Ende des zwölften Jahrhunderts, und erst mit dem 14. und 15. Jahrhundert, also mit der Renaissance, begann das gesellschaftliche Niveau zu steigen. Dieses Wachstum war jedoch noch lange Zeit auf die Eliten beschränkt. Auch die Grundschulbildung begann sich zu entwickeln, aber erst im 19. Jahrhundert erreichte das Kulturniveau den Entwicklungsstand des Römischen Reiches aus dem zweiten Jahrhundert.
In Bezug auf Schriften, so hat kein unmittelbar aus der Antike stammender Text überlebt, und die Renaissance wäre ohne das, was die Mönche in den Klöstern Europas schufen, nicht möglich gewesen.
Heute beobachten wir erneut den Zerfall der Kultur: die Kultur des Seins, der gegenseitigen Beziehungen, des kritischen Denkens. Das Konzept, das ich Benedikts Option nenne, ist folgendes: es ist notwendig, sich bis zu einem gewissen Grad auf das zurückzubeziehen, was der hl. Benedikt getan hat, d.h. Gemeinschaften zu schaffen, die zu Lebensgemeinschaften oder starken Bindungen werden, in dem die Werte und die Kultur des Seins bewahrt werden. Der Einfluss der Benediktiner- und Zisterzienserklöster auf die Gestaltung der wirtschaftlichen Infrastruktur war in der Geschichte sehr groß. Im Südwesten Deutschlands ist dies sehr deutlich sichtbar: dort wo es Klöster gab, lebten die Umgebungen wirtschaftlich auf. Handwerk, Handel, Landwirtschaft und natürlich die Kultur des geschriebenen Wortes entwickelten sich ebenfalls. Mit einem Wort: die gesamte Kultur entfaltete sich. Dies ist verständlich. Die Klöster ließen sich nicht in Kriege und Konflikte verwickeln und verschwendeten kein Geld für Unterhaltung. Sie lebten bescheiden und bemühten sich darum, dass ihre Arbeit mit Sinn und großem Anstand unternommen und ausgeführt wurde. Dies brachte gute Resultate und übertrug sich auch auf die Entwicklung anderer Bereiche, der Kultur im Allgemeinen. Darüber hinaus wurde die Kultur bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts von Geistlichen geschaffen. Später waren auch viele große Persönlichkeiten der Renaissance und Aufklärung, Menschen der Kunst und Wissenschaft, Geistliche.
Es gibt jedoch ein grundlegendes Problem: in unserem Kulturkreis hat sich ein in gewissermaßen schizophrenes Modell entwickelt. Dies besteht darin, dass wir zwar lernen, jedoch handelt es sich hierbei nur um theoretisches Wissen. Dies fängt bereits in der Grundschule an. Die Schule ist ein Ort, an dem eine Begegnung stattfindet: einerseits die Lehrer, andererseits die Schüler, die nach dem Unterricht alle in ihr eigenes Leben zurückgehen. Wir versorgen unseren Kopf mit Wissen (nicht selten mit einer enormen Menge), aber wir setzen dieses Wissen nicht in die Praxis des spirituellen Lebens um. Und hier entsteht eine Kluft, deren Folge u.a. Pädophilie-Skandale sind, die auch die Kirche betreffen. Wenn es sich bei dem Täter um einen Priester, einen Therapeuten, einen Psychologen oder einen Anwalt handelt, kann man nicht davon sprechen, dass sich dieser Mensch nicht dessen bewusst ist, was er tut. „Theoretisch” wissen diese Menschen, dass sie Böses tun, aber in der Praxis ist dieses Wissen nutzlos. Darin besteht diese Schizophrenie.
Dasselbe gilt für das religiöse Leben, die Wissenschaft, und das obwohl das Evangelium gelesen wird! Auch wenn die Menschen das Evangelium nicht zu Hause lesen, so hören sie es in der Kirche. Und so sagt das Evangelium unmissverständlich: wenn Du nicht von Herzen vergibst, wird Gott dir auch nicht vergeben. Im Leben jedoch sehen wir selbst in den Familien viel Zorn! Jeder weiß, dass man seinen Nächsten lieben sollte, aber nur wenige verstehen, dass das Gleichnis vom barmherzigen Samariter zeigt, dass sich gerade der Feind als unser Nächster erweisen kann, wie es der samaritische Feind für den Juden wurde. Jesus macht uns klar, dass es nicht darum geht, dass jemand dem Auserwählten Volk oder den „unseren” angehört, während die Anderen als Fremde zu betrachten sind. Der Nächste ist derjenige, der den Anderen menschlich behandelt, der das Gebot der Liebe zu Anderen wirklich lebt:
Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. (Joh 13, 34)
In der Lehre des Jüngsten Gerichts gibt es keine Erläuterung darüber, wer derjenige ist, der von Jesus in sein Reich aufgenommen wird: ob er ein Jünger Christi ist, ob er ein Jude ist, ob er ein Heide ist, ob er ein Hindu oder ein Atheist ist. Eine solche Klassifizierung gibt es nicht. Es gibt nur eine Aussage: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. (Mt 25, 40), es geht also um tatsächliche Hilfe, tatsächliche Barmherzigkeit oder das Fehlen einer solchen: was ihr getan habt oder nicht getan habt. Auf diese Weise weist Jesus Christus sehr deutlich auf eine konkrete Haltung, d.h. eine Lebenspraxis hin. Die Bibel ist in dieser Hinsicht sehr klar. Liebe ist eine konkrete Haltung, die sich durch Barmherzigkeit, Güte ausdrückt. Der hl. Paulus, der vom echten Leben, vom Leben nach dem Geist spricht, weist auf die Früchte hin, die es uns ermöglichen, das echte Leben eindeutig zu erkennen, im Gegensatz zu dem, was vom Fleisch geboren ist (Joh 3, 6), d.h. die konkreten Ergebnisse des Lebens nach den eigenen Leidenschaften:
Die Werke des Fleisches sind deutlich erkennbar: Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung, 20 Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, 21 Neid, maßloses Trinken und Essen und Ähnliches mehr. Ich sage euch voraus, wie ich es früher vorausgesagt habe: Wer so etwas tut, wird das Reich Gottes nicht erben. 22 Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, 23 Sanftmut und Enthaltsamkeit; gegen all das ist das Gesetz nicht. (Gal 5, 19-23)
Zu den Früchten eines Lebens nach dem Geist müssen wir hinzufügen: Demut, Vergebung, Dankbarkeit, Beharrlichkeit.
Diese Früchte resultieren aus einer konkreten Haltung gegenüber Anderen. Der hl. Johannes fügt hinzu, dass sich diese konkrete Haltung in unserer lebendigen Beziehung zu Gott widerspiegelt:
Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. (1Joh 4, 20)
Man hätte es nicht deutlicher sagen können! Aber wen kümmert es?!
Warum geschieht das? Dies scheint das Ergebnis einer intellektuell-existenziellen Schizophrenie zu sein. Auf der einen Seite besitzen wir theoretisches Wissen, und auf der anderen Seite gibt es ein Leben, das von etwas völlig anderem bestimmt wird als dem, was der Mensch theoretisch anerkennt. Ich glaube, dass wenn es um den wahren Glauben geht die größte Häresie und das größte Problem heutzutage in seiner Ideologisierung besteht, seiner Reduktion auf die Doktrin, sowohl im Sinne des Dogmas als auch der Doktrin im moralischen Sinne.
Deshalb ist die richtige Antwort auf diese Situation die monastische Weisheit, die darin besteht, zu versuchen, die Grundsätze des Evangeliums in das tägliche Leben einzubringen. Man kann Kritik daran üben, wie sie dies in der Praxis tut. Sicherlich, mal besser, mal schlechter, aber zweifellos bringt die Regel des hl. Benedikt es auf den Punkt. Natürlich hat sie auch Mängel, und sie muss für die heutige Zeit neu interpretiert werden. So spricht der hl. Benedikt zum Beispiel sehr klar über den Gehorsam als ein wesentliches Werkzeug des geistlichen Lebens, was zweifellos eine grundlegende Wahrheit ist. Aber im Fall des hl. Benedikt bedeutet Gehorsam der Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten, ohne diesem irgendwelche Grenzen zu setzen. In der Morallehre hingegen sagt die Kirche, dass wir uns in unserem Leben von unserem Gewissen leiten lassen müssen, auch dann wenn der Vorgesetzte uns etwas anderes sagt. Nur das Gewissen ist in unserem Leben ein relatives Absolutum, nicht der Vorgesetzte. Der Mensch muss immer auf sein Gewissen hören. Zweifellos ist es notwendig, das Gebot der Vorgesetzten sehr ernst zu nehmen, aber selbst wenn der Papst etwas sagen würde, das der Lehre des Herrn in unserem Gewissen widerspricht, müssen wir auf unser Gewissen hören, denn danach werden wir beurteilt werden. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass wir gleichzeitig im Gewissen auch dazu verpflichtet sind, unseren Vorgesetzten zu gehorchen.
Natürlich gibt es beim hl. Benedikt keinen solchen Hinweis. Warum? Die Antwort darauf kenne ich nicht. Es ist ihm wahrscheinlich nicht in den Sinn gekommen, dass ein Vorgesetzter schlechte Dinge vorschreiben kann. Ursprünglich ging im Mönchtum der Gehorsam bis zur Blindheit, daher muss die Regel des hl. Benedikt korrigiert werden. Die von der Regel vorgegebene Richtung ist jedoch sehr gut getroffen, und sehr gut geeignet sind die Regeln selbst, die, da sie universell sind, für alle Menschen gelten.
Deshalb geht es bei Benedikts Option um die Schaffung eines Umfelds und vorzugsweise einer Gemeinschaft, die diese Werte pflegt, erhält und bewahrt. Es scheint jedoch, dass die Klöster heutzutage nicht mehr in der Lage sind, dies so zu tun, wie sie es im frühen Mittelalter getan haben. Die Krise der Kirche ist enorm, die Zahl der Berufungen nimmt zumindest im Westen ab. Der Trend mag sich zwar umkehren, allerdings sind die Klöster aufgrund der aktuellen gesellschaftspolitischen Situation allein nicht in der Lage die schwindende Kultur zu retten. Heute muss dies von christlichen Gemeinschaften getan werden, die jedoch nicht nur Mönche, sondern auch Nichtgeistliche einschließen.Während die Klöster in der Vergangenheit zur Elite zählten, bietet die Welt heutzutage so viele Möglichkeiten und Chance auf Erfolg, sodass das Klosterleben nicht länger als “gehobener Stand” oder ein Zeichen des Erfolgs angesehen ist. Wie wir bereits erwähnt haben, hat der hl. Benedikt seine Regel für Mönche geschrieben, aber de facto ist sie eine Regel des geistlichen Lebens für Christen. Früher konnten die Nichtgeistlichen eigentlich nicht lesen und schreiben, was heute jedoch kein Problem mehr darstellt. Darüber hinaus kennen Nichtgeistliche das Evangelium heute selbst gut, da sie es lesen, und so können sie erkennen, dass die Regel der Versuch ist, die Prinzipien des Evangeliums in die Praxis umzusetzen.
Natürlich müssen einige Dinge angepasst werden, wenn es um das Familienleben geht. Dieses Projekt setzt die Existenz einer Umgebung, eines Zentrums, einer Gemeinschaft voraus, in der die Besinnungstage oder Workshops nicht auf die Theorie beschränkt sind, sondern uns die Werte, von denen gesprochen wird, erfahren lassen. Die Gemeinschaft, d.h. die Gruppe von Menschen, die dieses Zentrum leitet, muss diese Werte selbst praktizieren und darf diesen Ort nicht als Schule im heutigen Sinne betrachten.
Tyniec ist in gewisser Weise ein Beispiel für die Anwendung von Theorie und Praxis, aber nur im gewissen Sinne. Hier leben die Mönche im Rhythmus des Stundengebets, der Lectio Divina und des persönlichen Gebets, welches der Maßstab ihres Lebens ist. Wie ehrlich sie dabei sind, ist natürlich eine andere Sache, denn jeder von uns ist schwach. Jedoch wird in Tyniec eine bestimmte Lebensart gepflegt. Dies ist sogar am Stundengebet sichtbar. Allerdings gibt es hier ein grundlegendes Problem: ein Nichtgeistlicher, der hierher kommt, sieht in den Mönchen eher ein Phänomen. Er mag sich hier wohl fühlen, aber das ist nicht sein Leben. Das ist für ihn eine gewisse Exotik. Die Mönche hier bilden eine Art von Familie, aber der Gläubige, der hierher kommt, hat daheim eine Frau, einen Mann, Kinder oder ist Single. Er arbeitet, muss sich um seine Mutter und seinen Vater kümmern, hat Verpflichtungen bei der Arbeit und damit verbundene Herausforderungen und noch viele andere Aufgaben.
Wenn jedoch eine Gemeinschaft gegründet werden würde, in der Nichtgeistliche und Mönche zusammenkommen, die sich auf das Stundengebet, die Meditation und Lectio Divina als tägliche Praktiken konzentrieren, während sie gleichzeitig konkret für ihren eigenen Lebensunterhalt arbeiten, wie es in der Tat in der Regel des hl. Benedikt der Fall ist, kann eine solche Gemeinschaft Nichtgeistliche in ihr Leben einbeziehen. Unabhängig davon, ob es sich um ein Ehepaar, auch mit kleinen Kindern, um alleinstehende, junge oder alte Menschen handelt. Deren Einsatz in der Gemeinschaft kann zweckgebunden sein, z. B. durch die Teilnahme an Besinnungstagen oder Workshops, länger andauern aus dem Bedürfnis heraus das innere Gleichgewicht (wieder) zu finden, befristet oder gar dauerhaft sein. Wichtig ist nur, dass man für diese Menschen die sozialen Grundbedürfnisse sicherstellen kann.
Selbst wenn wir jedoch annehmen, dass die Gemeinschaft so organisiert ist, dass alle einen Platz zum Leben haben und sich gemeinsam ernähren können so reicht das allein nicht aus: man muss Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zahlen, Kinder erziehen und ausbilden. Andererseits jemand, der bereits im Ruhestand ist, bezieht bereits Leistungen und braucht diese zusätzlichen Dinge nicht, der tägliche Lebensunterhalt reicht hier aus. Die Situationen der Menschen in der Gemeinschaft können also sehr verschieden sein. Vor allem müssen die Beteiligten jedoch verstehen, dass wir eine Gemeinschaft bilden, in der die grundlegenden Prinzipien des Lebens täglich praktiziert werden. Der Ausgangspunkt für die Erschaffung einer solchen Gemeinschaft ist die Regel des hl. Benedikt, die natürlich aktualisiert werden muss.
Wenn diese Gemeinschaft Besinnungstage und Workshops durchführt, sollten die Nichtgeistlichen sich um die Verwaltung, Verpflegung und Reinigung kümmern. Gleichzeitig sollten sie aber auch lebendige Zeugen sein, nicht nur durch die Tatsache, dass sie in der Gemeinschaft leben, sondern auch durch die aktive Teilnahme an der Liturgie und dem Gebetsleben im Allgemeinen. Gleichzeitig können sie nach bestem Wissen Vorträge und Kurse für Teilnehmer der Besinnungstage und Workshops halten. Ohne Elemente der Psychologie ist es heutzutage nicht möglich Menschen auf wertvolle Art zu formen und zu leiten. Damit kennt sich der Psychologe aus, nicht der Priester. Es ist auch unmöglich eine gesunde Diät und einen gesunden Lebensstil zu führen ohne die Hilfe eines Arztes und Ernährungsberaters. Fachleute aus diesen Bereichen werden gebraucht.
Die Mönche sollten ausreichend Zeit haben, um die Liturgie anzuführen, für die Beichte zur Verfügung zu stehen, Besinnungstage und Workshops zu leiten und mit den Menschen zu sprechen. Nichtgeistliche sollten wiederum an der Organisation des Lebens und der Verwaltung beteiligt sein. Die Bemühungen im Kloster Tyniec wären ohne die Unterstützung der Nichtgeistlichen nicht möglich gewesen. In Tyniec sind die Nichtgeistlichen jedoch Angestellte, die für acht Stunden zur Arbeit kommen und dann in ihr Leben zurückkehren. In Benedikts Option sind sie gesamtheitlich am Werk beteiligt. Sie bilden mit den Mönchen eine Gemeinschaft, die gemeinsam am Leben teilnimmt, sich engagiert. Das unterscheidet unseren Vorschlag. Natürlich wird es nicht zu vermeiden sein, dass zudem auch Angestellte gebraucht werden, z.B. aus den umliegenden Dörfern. Zumindest jedoch für einige Menschen sollte dies ein Zuhause sein, in dem sie leben und arbeiten. Wir alle versammeln uns zur Liturgie in der gleichen Ordnung wie es die Mönche in Tyniec tun. Wir kommen zusammen zu festgelegten Zeiten, zur Heiligen Messe, zur Meditation, zum Frühstück, zur Arbeit, zum übrigen Stundengebet, zum Mittagessen, zum Abendessen. Die Tagesordnung selbst muss ausgearbeitet werden. Wenn jemand nicht teilnehmen kann, tut er das nicht, da er als Nichtgeistlicher nicht dazu verpflichtet ist. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich jedoch bezeugen, dass ein solcher Tagesrhythmus im geistlichen Leben sehr hilfreich ist. Die Praxis stellt uns mehrmals am Tag vor Gott und reißt uns heraus aus unserem mit Arbeit eingenommenen Geisteszustand, womit sie uns die richtige Lebensperspektive gibt.
Dies ist ein Mittel gegen den Workaholismus und die Abschottung im weltlichen Dasein:
Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? 32 Denn nach alldem streben die Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht. (Mt 6, 31–32).
Allerdings unter einer Bedingung: wir sitzen nicht einfach herum und warten! Natürlich sollen wir arbeiten, nur darf die Arbeit nicht zum Maßstab unseres Lebens werden.
Der Einsatz in dieser Gemeinschaft kann sehr unterschiedlich sein. Jemand kann die Aktivitäten der Gemeinschaft von außen unterstützen und es können auch diejenigen daran teilnehmen, die sich nur auf befristete Zeit engagieren, zum eigenen Nutzen und dem Nutzen der Gemeinschaft. Dazu können Menschen gehören, die von ihrem Weg im Leben abgekommen sind, ihren Sinn verloren haben, Menschen deren Geschäft zusammengebrochen ist, die auf dem Boden sind, die eine Alkoholtherapie hinter sich haben und einen Ort suchen, an dem sie sich selbst finden und wieder normal funktionieren können, und, sobald sie wieder Kraft gewonnen haben, in die Welt zurückkehren können. Auch Freunde der Gemeinschaft können ihr angehören. Wichtig ist jedoch der Ort, die Tatsache, dass er existiert und dass dort Menschen zusammen leben. Und während die Besucher in Tyniec oft sagen: „Für euch Mönche ist es viel einfacher so zu leben…” so sehen sie hier eine Gemeinschaft in der auch Nichtgeistliche arbeiten und die Regel des hl. Benedikts leben.
Wie realistisch es ist in der heutigen Welt ein solches Zentrum aufrechtzuerhalten, das wissen wir nicht. Es scheint jedoch, dass die pastorale Tätigkeit allein dazu nicht ausreicht. Es muss andere Einkommensquellen geben. So bezahlen die Besucher für die Besinnungstage und Workshops. Einige werden auch kostenlos teilnehmen können. Auch eine andere Form der Teilnahme ist möglich: Besucher die kein Geld für den Aufenthalt oder die Teilnahme an Besinnungstagen und Workshops haben werden stattdessen in die Arbeit der Gemeinschaft mit einbezogen.
Bei unserem Konzept geht es um einen ganzheitlichen Ansatz für den Menschen. Das Motto Damit Gott in allem verherrlicht werde! muss in die Praxis des heutigen Lebens, mit seinen Anforderungen und Prinzipien übersetzt werden. Nur eine solche Gemeinschaft wird über angemessene Einrichtungen zur Durchführung von Besinnungstagen und Workshops verfügen, weil sie ein lebendiges Zeugnis für die Sinnhaftigkeit dessen wird was sie verkündet. Alle Gäste sind zur Liturgie, an einen Tisch, in die Gemeinschaft eingeladen, und stehen nicht als Beobachter daneben. Auf diese Weise wird das Konzept der Kirche als eine Gemeinschaft aller Gläubigen, nicht nur der Geistlichen, verwirklicht. Die Priester führen die Liturgie zwar an, jedoch ist sie das Werk der ganzen Kirche. Es ist notwendig, die noch immer herrschende Mentalität zu verlassen, dass das Stundengebet nur für Priester, Mönche und Nonnen vorbestimmt ist. Einige Nichtgeistliche wissen dies bereits und halten es selbst, meist jedoch individuell. Doch erst die gemeinsame Liturgie von Nichtgeistlichen und Geistlichen erhält den eigentlichen kirchlichen Charakter der Gemeinschaft.
Dies ist das allgemeine Konzept der Stiftung.
Aus dem Radio-Interview des Radio Olsztyn, Dezember 2019.